Nachgefragt: Lesehunger

Kuchendiebin-bsL

Mal nachgefragt: Lesehunger. Was ist das eigentlich?

Lesehunger ist Fantasie, die man ein Stück weit in die Realität holt. Also quasi von der Buchseite auf den eigenen Teller.

Und wer steht hinter der Seite?

Ich: Shermin Arif, 34 Jahre alt, versehen mit orientalisch-deutschen Wurzeln, in Leipzig geboren, im Ruhrpott aufgewachsen und seit über acht Jahren mit meinem Mann inmitten von Berlin lebend. Wie man auf dem Foto oben unschwer erkennen kann, hatte ich schon sehr früh eine Passion für gutes Essen. Hauptberuflich bin ich übrigens Redakteurin und Texterin. Ich mache aber noch eine Menge anderer kreativer Dinge und kann nur selten meine Hände wirklich still halten – es sei denn, ich habe ein Buch in der Hand.

Wie kam es zum Lesehunger?

Die Idee zum Lesehunger entwickelte sich eigentlich aus einem Blogevent auf meinem langjährigen Foodblog Der magische Kessel heraus.
Ich hatte selbst so viele Ideen, die in ihrer Zahl aber einfach den Rahmen gesprengt hätten. Und ich war überwältigt von dem positiven Feedback und den tollen Umsetzungen, die ich von lesehungrigen Teilnehmerinnen und Teilnehmern bekam. Zuerst sollte daraus nur ein Dauerevent entstehen, das im Magischen Kessel seine Heimat hat. Aber ich dachte mir: „Warum Halt machen? Warum nicht ein eigenes Blog dafür ins Leben rufen?“ Ich habe zwar wirklich genug Blogprojekte, der Gedanke ließ mich aber einfach nicht mehr los. Also habe ich es einfach getan – wider besseres Wissen. 🙂

Bücher? Warum ausgerechnet Bücher?

Ich lese oft und viel – Bücher und Worte sind ein integraler Bestandteil meines Lebens. Schon als Kind habe ich sie förmlich inhaliert und später dann Germanistik mit dem Schwerpunkt Literaturwissenschaft studiert. Beruflich arbeite ich nicht nur als Redakteurin und Texterin, sondern unter anderem auch als Rezensentin.

Wieso interessiert dich denn gerade Essen aus Büchern?

Dafür gibt es verschiedene Gründe… Zum Beispiel ist man den Charakteren, die einen mittels Buch über Stunden, Tage, Wochen – gedanklich manchmal sogar ein ganzes Leben lang – begleiten, auf diese Weise nahe und holt sich ein wenig der Atmosphäre und der den Texten inne wohnenden Fantastik in das eigene Leben.

Und dann regt es eben einfach die Fantasie an. Mein liebstes Kinderbuch, das ich bis zur unserer Flucht aus der DDR 1986 jeden Abend ansah, zeigte Bilder von Ameisen, die Waldfrüchte weg trugen. Meine Güte – allein die Erinnerung an die abgebildete saftige Himbeere, die eine Ameise da in ihren Bau schleppte, bezaubert mich heute noch. 😉

Oft sind es gerade Beschreibungen von Gerichten, die kleinen Szenen Lebendigkeit und Echtheit schenken. Das muss nicht mal eine opulente Beschreibung à la George R. R. Martin sein, der dazu neigt sehr ausführlich und genau die irdischen Genüsse seiner Figuren auszumalen. Jane Austen zum Beispiel umreißt es meist nur mit „Tea“ oder „Dinner“ – und dennoch hat man als Leserin oder Leser sofort vor dem geistigen Auge, wie Elizabeth Bennet leicht verkrampft und angemüdet bei Lady Catherine zum High Tea (Cream Tea mit Clotted Cream, Scones und süßer Marmelade finde ich irgendwie viel zu lebensfreundlich für die sauertöpfische Lady Catherine) im Salon auf einem unbequemen Sofa sitzt, an einem Gurkensandwich knabbert und sich weit, weit weg zu Mr. Darcy wünscht.

Sind deine Rezepte denn historisch korrekt?

Ähmm…. nein. Ich bin zwar auch studierte Geschichtswissenschaftlerin, aber das wäre dann doch zu aufwändig und zu speziell. Ich habe allerdings zahlreiche Kochbücher hier und interessiere mich auch für mittelalterliche oder altertümliche Kochtechniken und Rezepte. Ich weiß noch nicht, welchen Weg der Lesehunger in Zukunft nehme wird, aber ich vermute, dass ich die Gerichte größtenteils nach heutigen Standards umsetzen werde und einige vielleicht nach Vorgaben von Früher. Wer weiß? Bei Fantasybüchern stellt sich die Frage dann sowieso nicht.

Warst du denn die Erste, die diese Idee der Umsetzung hatte?

Mir ist schon klar, dass es unwahrscheinlich ist, dass ich als erste diesen bibliophil-kulinarischen Gedanken hatte. Wie wären sonst die zahlreichen Kochbücher zu wunderbaren literarischen Welten entstanden?
In meiner Hochphase zu Game of Thrones war ich schon vor ein paar Jahren auf ein auf diese Fantasiewelt spezialisiertes Foodblog gestoßen, das inzwischen sogar als Kochbuch umgesetzt wurde. Die Erkenntnis, dass es allgemeiner gehaltene Kochblogs hierzu gibt, kam mir aber erst, nachdem ich während der Recherche zu einem Gericht für das ursprüngliche Lesehunger-Event zufällig über ein solches Blog stolperte.
Wahrscheinlich ein klassischer Fall von Brett/Kopf. 😉 Ich finde es wahnsinnig toll zu entdecken, dass ich nicht die Einzige bin, die Freude dabei empfindet, das geschriebene Wort so umzusetzen. Aber ich halte mich gewollte fern davon, damit ich nicht unabsichtlich fremde Ideen aufnehme. Im deutschsprachigen Raum bin ich derzeit glaube ich die Einzige, die sich ein solch spezialisiertes Projekt vorgenommen hat. Ich bin gespannt, wo mich dieser Weg hin führt…